Praxisbeispiel: Biologisch wirksames Licht für Pflege und Seniorenheim

Eine circadiane Beleuchtung aktiviert Senioren und Demenzkranken am Tag und fördert den Schlaf in der Nacht. Beste Lichtbedingungen erleichtern zugleich dem Pflegepersonal die Arbeit.''

Altersbedingte Krankheitsbilder stellen hohe Anforderungen an die Beleuchtung in Pflegeheimen. Viele Bewohner sehen schlecht. Die Lebensqualität des Menschen hängt aber entscheidend davon ab, wie gut er sehen kann. Allein durch das Eintrüben der Linse benötigen ältere Menschen zum Lesen und Basteln Beleuchtungsstärken von 1.500 Lux – gut viermal mehr als ein Zwanzigjähriger.

Hinzu kommt: 60 bis 80 Prozent der Bewohner in Seniorenpflegeheimen leiden an unterschiedlichen Formen der Demenz. Die Betroffenen sind oft ruhelos und wandern umher. Ihre Bewegungsabläufe werden unsicherer, die Sturzgefahr steigt. Schatten auf dem Boden nehmen Demenzkranke leicht als Hindernisse wahr, die sie verunsichern. Oftmals zeigen sie sich auch orientierungslos und haben einen verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmus.

Planungsempfehlung

Ältere Menschen und vor allem Demenzkranke halten sich seltener im Freien auf; der Schlaf-Wach-Rhythmus ist häufig nur unzureichend synchronisiert. DIN SPEC 67600 empfiehlt, insbesondere in zentralen Aufenthaltsräumen, große Fensterfronten für natürliches Tageslicht vorzusehen und eine circadian wirksame Beleuchtung einzusetzen. Diese ist ebenfalls in Fluren und in Pflegeoasen für bettlägerige Patienten sinnvoll.

Morgens und in den Mittagsstunden trägt eine flächige Beleuchtung mit vertikalen Beleuchtungsstärken von 250 Lux am Auge und eine Lichtfarbe von mindestens 5.000 Kelvin zur Tagesaktivierung bei; abends sollten eher direkt strahlende Leuchten verwendet werden mit geringerer Beleuchtungsstärke und maximal 3.000 Kelvin. In den Nachtstunden sollte die Beleuchtung auf das zur Orientierung notwendige und normgerechte Maß reduziert werden.

Biologisch wirksames Licht hilft

Mangelnde Aktivität führt zu erhöhter Schläfrigkeit am Tag und zu unruhigen Nächten. Diese Situation ist auch für das Pflegepersonal belastend und erfordert einen erhöhten Personaleinsatz.

Zahlreiche Anwendungen belegen, dass neben ausreichend hellem Licht eine Beleuchtung mit nichtvisuellen Wirkungen zu deutlich mehr Aktivität und Wohlbefinden der Bewohner beiträgt. Dies zeigte eindrucksvoll ein über 15 Monate angelegtes Forschungsprojekt in Österreich von 2012. Dazu wurde ein Wiener Altenpflegeheim für Demenzkranke mit drei verschiedenen Beleuchtungsszenarien ausgestattet:

  • Lichtsituation 1 erhöhte die Beleuchtungsstärke von 300 Lux (Standardsituation) auf 2.000 Lux.
  • Lichtsituation 2 sorgte für eine Erhöhung der Farbtemperatur von 3.000 Kelvin (Standardsituation) auf 6.500 Kelvin im Flur und 8.000 Kelvin im Wohn-/Essbereich.
  • Lichtsituation 3 veränderte Beleuchtungsstärke und Lichtfarbe dynamisch im Tagesverlauf.

Im Rhythmus: Aktivität und Ruhe

Die Wissenschaftler verglichen die Effekte einer Standardbeleuchtung mit denen der drei neuen Lichtsituationen – jeweils über einen ganzen Tag. Die Ergebnisse überzeugen:

So weist schon das veränderte Sozialverhalten darauf hin, dass sich die Lebensqualität der Bewohner durch die neue Beleuchtung verbessert hat. Weiterer Effekt: Weil die Bewohner im Seniorenheim tagsüber aktiver sind, können sie nachts auch besser schlafen. Damit kann insbesondere Demenzkranken, die oft an einer totalen Tag-Nacht-Umkehr leiden, auf natürliche Weise geholfen werden. Das biologisch wirksame Licht unterstützt den circadianen Rhythmus und kann dazu führen, dass weniger Schlafmittel benötigt werden und das Pflegepersonal entlastet wird. Auch in Krankenhäusern und Rehakliniken trägt es dazu bei, dass sich Patienten wohler fühlen, besser schlafen und damit schneller genesen.

In spätestens 30 Jahren wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen verdoppelt haben. Der demografische Wandel ist bei der Planung von Seniorenheimen schon heute zu berücksichtigen. Die Nutzung von möglichst viel natürlichem Tageslicht und eine biologisch wirksame Beleuchtung können viel dazu beitragen, die Lebensqualität für ältere Menschen lange zu erhalten.

  • Mehr Kommunikation: Bei allen drei Lichtsituationen kommunizierten die Bewohner intensiver untereinander und mit dem Pflegepersonal.
  • Mehr Aktivität: Die Bewohner beteiligten sich häufiger an hauswirtschaftlichen Tätigkeiten.
  • Soziale Aktivität: Vor allem hohe Beleuchtungsstärken animierten die Senioren zum Basteln und Singen. Auf den hell ausgeleuchteten Fluren hielten sich die älteren Menschen ebenfalls gerne auf und fühlten sich sicherer als zuvor.

Erholsamer Schlaf

Eine circadian wirksame Beleuchtung unterstützt einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus in Senioren- und Pflegeheimen. Dies bestätigte auch ein Projekt in Hüfingen. Industrie und Forschung untersuchten in einem Seniorenheim in einer wissenschaftlichen Evaluation von August 2007 bis März 2009 das Schlafverhalten der Bewohner – mit und ohne circadian wirksamer Beleuchtung (Lichtszenarien jeweils mind. 13 Nächte lang; 36 Beobachtungen pro Nacht). Zunächst wurde die Schlafqualität im Altbau mit herkömmlicher Beleuchtung beobachtet. Im Anschluss daran zogen die Bewohner in einen Neubau um, der mit melanopisch wirksamer Beleuchtung ausgestattet ist.

Die Untersuchungen zeigten, dass sich die Schlafqualität der Bewohner unter dem Einfluss von circadianem Licht bereits nach acht Wochen verbesserte. Nach etwa einem Jahr berichteten die Pflegekräfte, dass

  • 75 Prozent der Nächte deutlich ruhiger waren,
  • die vorwiegend demenzkranken Bewohner ausgeglichener und positiver gestimmt waren als zuvor.

Auch die Pflegekräfte empfanden die melanopisch wirksame Beleuchtung als wohltuend. Nächtliche Unruhe der Bewohner war vor allem im Altbau (T1) sowie in Zeiten ohne biologisch wirksames Licht (T3b und T4a) zu beobachten, während mit zunehmender Dauer einer tageszeitlich angepassten Beleuchtung (T3a und T4b) die Bewohner nachts deutlich ruhiger schliefen.

Die richtige Beleuchtung für Gesundheit und Pflege

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