Lichttherapie: sanft und biologisch wirksam
Auch die Medizin setzt auf biologisch wirksames Licht. Mit Erfolg werden bereits saisonal abhängige Depressionen (SAD), die in der dunklen Jahreszeit auftreten, mit Licht behandelt. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine Lichttherapie auch gegen andere Formen der Depression und weitere Krankheiten wirkt.
Viele Menschen quälen sich mit auffallend schlechter Stimmung durch Herbst und Winter. Und tatsächlich ist Lichtmangel ein ernstes Problem: Fehlt ausreichend natürliches Licht, entwickeln fünf bis 20 Prozent der Gesamtbevölkerung regelrechte „Mangelerscheinungen“, die sich im schlimmsten Fall zu einer saisonal abhängigen Depression (SAD) entwickeln können, die therapiert werden muss. SAD unterscheidet sich von anderen Formen der Depression vor allem dadurch, dass die Symptome mit den länger werdenden Tagen im Frühling abklingen, im Herbst aber wieder auftreten.
Saisonal abhängige Depression (SAD)
Eine SAD zeigt folgende Symptome:
- verstärktes Schlafbedürfnis,
- fehlende Antriebskraft und
- Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen.
Betroffene leiden im Gegensatz zu anderen depressiven Patienten nicht an Schlaflosigkeit. Im Gegenteil: sie gehen früher ins Bett als im Sommer und haben dennoch Schwierigkeiten, aufzustehen. Auch Appetitlosigkeit – sonst eine typische Begleiterscheinung von Depressionen – ist ihnen fremd. Sie entwickeln sogar Heißhunger, vor allem auf Kohlenhydrate wie Schokolade, Kartoffelprodukte oder Brot.
Wissenschaftler gehen von mehreren Ursachen für SAD aus. So kann eine Fehlfunktion der Lichtrezeptoren auf der Netzhaut dafür ebenso in Frage kommen wie ein unzureichend ausgeprägter Schlaf-Wach-Rhythmus. Wahrscheinlich ist, dass sich SAD-Patienten individuell schlechter an die kürzeren Wintertage anpassen. Dies wiederum bringt ihre innere Uhr aus dem Takt. Auch ein Mangel der absoluten Menge an Licht wird diskutiert. Dafür spricht die Tatsache, dass in Alaska etwa jeder dritte Erwachsene von SAD betroffen ist, in Florida dagegen nur einer von 25.
Therapiegeräte mit Tageslichtspektrum
Für Menschen, die nicht genügend Tageslicht bekommen, sind Lichttherapiegeräte eine echte Alternative. Sie simulieren Intensität und Farbtemperatur des Tageslichts; produzieren kurzwelliges Licht im blauen Bereich des sichtbaren Lichtspektrums.
Kleinere Geräte gibt es auch für den häuslichen Gebrauch oder für das Büro. Sie unterscheiden sich von den professionellen Geräten in Kliniken oder Arztpraxen hauptsächlich durch die Größe der leuchtenden Fläche. Klinikgeräte sind am größten; damit können drei bis vier Patienten gleichzeitig behandelt werden. Geräte für Zuhause sind hingegen meist nur für eine Person ausgelegt. Ein Betriebsstundenzähler überwacht die Lampen. Sie büßen nach 8.000 Stunden etwa 20 Prozent ihres Lichtstroms ein und sollten dann ausgewechselt werden.
Lichttherapie wirkt nach heutigen medizinischen Erkenntnissen ausschließlich über das Auge. Fällt Tageslicht auf die Netzhaut, produziert die Hypophyse im Zwischenhirn Hormone und Botenstoffe wie Serotonin. Als Neurotransmitter ist zu wenig Serotonin oftmals Ursache für Depressionen, denn es ist für die Informationsübermittlung zwischen den Gehirnzellen verantwortlich. Nur wenn Serotonin ausreichend vorhanden ist, funktionieren Vitalfunktionen und Denkprozesse. Sie wiederum wirken sich auf die Psyche aus.
Serotonin hellt die Stimmung auf, steigert das Wohlbefinden und motiviert. Damit der Körper verstärkt Serotonin ausschütten kann, bilden Lichttherapiegeräte Intensität und Farbtemperatur des Tageslichts nach. Außerdem produzieren sie kurzwelliges Licht im blauen Bereich des sichtbaren Spektrums. Nach dem Vorbild des Tageslichts erhält der Körper damit das Signal, die Produktion von Melatonin zu drosseln. Die Folge: Der Mensch ist tagsüber wach und schläft nachts besser. Um diesen Effekt zu erreichen, genügt die herkömmliche Beleuchtung am Arbeitsplatz in der Regel nicht.
Licht ist morgens am effektivsten
Empfehlenswert ist eine Lichttherapie am Morgen, um der inneren Uhr eindeutig mitzuteilen, dass der Tag begonnen hat und sie den Körper in Schwung bringen soll. Aus dem gleichen Grund ist sie am Abend wenig sinnvoll, da die Melatoninproduktion unterdrückt und das Einschlafen erschwert wird.
Frequenz und Dauer der Therapie sind je nach Symptomatik unterschiedlich. Häufig tritt eine heilende Wirkung bereits nach ein bis zwei Wochen ein. Patienten, die regelmäßig an SAD leiden, setzen die Lichttherapie erfolgreich auch vorbeugend ein. Ernste Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Gelegentliche Beschwerden wie Augenreizungen, Kopfschmerzen und trockene Haut gehen nach wenigen Stunden zurück. Generell sollte vor einer Lichttherapie aber der Augenarzt konsultiert werden, denn bei bestimmten Erkrankungen des Auges ist Vorsicht geboten.
Technische Anforderungen an Therapiegeräte
Therapiegeräte haben einen speziellen Abstrahlungswinkel, der die Geometrie des menschlichen Auges berücksichtigt. Denn die melanopsinhaltigen Ganglienzellen sind großflächig auf der Netzhaut verteilt und im unteren Bereich besonders sensibel. Je mehr Rezeptoren angesprochen werden, desto erfolgreicher ist die Therapie.
Die Geräte strahlen ihr Licht in einem großen Winkel ab, damit sich der Patient in einem relativ weiten Bereich vor der Leuchte bewegen kann. Die Beleuchtungsstärke liegt bei bis zu 10.000 Lux, je nach Abstand zum Gerät. Als therapeutisch wirksam gilt Licht ab einer Stärke von etwa 2.000 Lux. Therapiegeräte arbeiten mit einer Farbtemperatur von etwa 6.500 Kelvin. Damit ähnelt ihre Lichtfarbe dem Tageslicht um zwölf Uhr mittags.
Therapeutische Lichtquellen sollten eine Leuchtdichte von etwa 8.000 Candela pro Quadratmeter (cd/m2) haben. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte sie 10.000 cd/m2 nicht überschreiten. Spezielle Glasscheiben filtern schädigendes ultraviolettes Licht komplett aus dem Spektrum heraus. In keinem Fall können und sollen Lichttherapiegeräte die Haut bräunen.
Lichttherapie hat Potenzial
Die therapeutische Wirkung von Licht wird in der Medizin weiter erforscht. Lichttherapie wird in jüngster Zeit auch bei anderen Krankheiten eingesetzt. Erste Untersuchungen zeigen, dass zum Beispiel prämenstruelle Beschwerden erfolgreich damit therapiert werden können oder auch saisonal bedingte Bulimie. Vereinzelt werden auch Parkinson- oder Alzheimer-Patienten mit biologisch wirksamen Licht bestrahlt. Weiterhin gibt es Anzeichen dafür, dass Lichttherapie bei nicht saisonalen Depressionen ebenfalls gute Ergebnisse erzielen kann.
Sicher ist aber schon jetzt, dass Lichttherapie ein natürliches Antidepressivum gegen den „Winterblues“ ist, wie die schwächere Form von SAD auch genannt wird.